Newsletter 2020 Grenzhus Schlagsdorf

Liebe Leserinnen und Leser!

Der erste Newsletter im Jahr 2020 erscheint mitten in der Corona-Pandemie. Wie alle kulturellen Einrichtungen ist auch das GRENZHUS geschlossen. Seit dem 16. März kommen keine Besucher und finden keine Veranstaltungen statt. Diese Situation stellt den Trägerverein Politische Memoriale e. V. vor große Herausforderungen. Im Newsletter berichten wir von diesen Herausforderungen. Mitarbeiter erzählen, wie sich ihre Arbeit veränderte und welche neuen Ideen während der Schließung entstanden. Unser digitales Erinnerungs- und Lernangebot „Fluchtgeschichten – Heimat finden“ gehört zu den neuen Ideen. Aus Anlass des 75. Jahrestages des Kriegsendes bringen wir regional bezogene Fluchtgeschichten ins Netz. Unsere Recherchen erstrecken sich bis in die Gegenwart. Und für den Schulunterricht gibt es auch Angebote. Mehr noch als in normalen Zeiten wollen wir mit dem Newsletter Kontakt zu allen Menschen halten, die uns gerade nicht besuchen können.

Bleiben Sie gesund!

Robert Paeplow

Dr. Andreas Wagner

  Das GRENZHUS unter Quarantäne

Im Zuge der Schutzmaßnahmen gegen die Corona-Epidemie mussten wir das GRENZHUS am 16. März 2020 schließen. Sofort begannen Schulklassen, Reiseveranstalter und Privatpersonen ihre gebuchten Führungen und Studientage zu stornieren. Insgesamt wurden bisher 54 Führungen und Studientage abgesagt, an denen über 1.000 Menschen hätten teilnehmen sollen. Diese Einnahmen fehlen uns im Jahreshaushalt. Je länger die Einschränkungen andauern, umso stärker verlieren wir Eintritts- und Führungsentgelte, die wir jedoch dringend für die Absicherung unserer Eigenmittel benötigen. Auch viele gut vorbereitete Veranstaltungen mussten wir leider absagen, aber manches lässt sich in die zweite Jahreshälfte verschieben. Ausgestattet mit Richtungsweisern und den entsprechenden hygienischen Maßnahmen können sie uns ab dem 11.Mai 2020 wieder besuchen! Der Trägerverein Politische Memoriale e. V. hat Soforthilfen beim Landesförderinstitut MV beantragt und für April Kurzarbeit eingeführt. Für die Mitarbeiter*innen verändert sich der Arbeitsalltag. Nur Telefonanrufe und Post mussten weiterhin bearbeitet werden. Reinigungs- und Pflegearbeiten rückten nach vorn. Wofür im normalen Museumsalltag keine Zeit bleibt, das ist jetzt möglich. So reinigten die Kolleginnen den Innenraum der Vitrinen, die Ausstellungswände oder ölten die Holztreppen. Adresslisten konnten aktualisiert werden. Auf dem Außengelände begannen wir mit der Sicherung des sanierungsbedürftigen DDR-Kontrollhäuschen. Für die Erschließung unseres Sammlungsbestandes stand jetzt ebenfalls mehr Zeit zur Verfügung. Die Sammlungsgeschichte erforschte unsere Freiwillige Maria Rabes. Sie schrieb einen ersten institutionsgeschichtlichen Überblick zur Sammlung des GRENZHUS. Die Anfänge als Traditionskabinett der lokalen LPG fand ihre besondere Aufmerksamkeit. Wir arbeiten daran, den Sammlungsbestand in der Pfarrscheune zu erfassen, zu beschreiben und dann gesichert unterzustellen.

Überall entstehen digitale Angebote und auch wir folgen diesem Trend, um trotz der Schließung Menschen mit unseren Themen zu erreichen. Aus Anlass des 75. Jahrestages des Kriegsendes starten wir das digitale Erinnerungs- und Lernprojekt „Fluchtgeschichten – Heimat finden“. Auf der Homepage dokumentieren wir Lebensläufe von Menschen, die aus unserer Region seit der NS-Zeit flüchten mussten oder hierher geflüchtet sind. Zu diesen Fluchtgeschichten entwickeln wir Arbeitsblätter für den Schulunterricht. Konkrete Einzelschicksale sollen deutlich machen, dass unter uns viele Menschen mit Fluchtgeschichten leben. Auch gegenwärtige Fluchtbewegungen werden wir einbeziehen. Nach einer Sammlungsphase veröffentlichen wir eine Auswahl der Geschichten in einem Journal. Das Projekt wird von der Landeszentrale für politische Bildung M-V und der Landesbeauftragten M-V für die Aufarbeitung der SED-Diktatur finanziert. Gegenwärtig laufen unverändert die Forschungen zum Barber-Ljaschtschenko-Abkommen vor 75 Jahren. Jetzt steht die Auswertung der bisher aufgefundenen Quellen im Vordergrund, da Bibliotheken und Archive ebenfalls schließen mussten. Überraschend ist es uns gelungen, Dokumente aus russischen Archiven zu bekommen. Sie erlauben erstmals Einblicke in den Umgang der sowjetischen Besatzungsmacht mit den neuen Territorien am Schaalsee. Aber auch Zeitzeugen unterstützen uns mit Materialien und Erinnerungen, z. B. zum weiteren Umgang mit dem Bodenreformland in der alten Bundesrepublik, den Konsequenzen für die Zuordnung der Kirchengemeinden oder der Neubesiedlung der leergezogenen Dörfer auf der Ostseite des Schaalsees. Mehr als ein Drittel der Vertriebenen waren Kinder. Foto: Stiftung Mecklenburg. Weitere Projekte müssen bearbeitet werden – die abgesagten Veranstaltungen schafften dafür etwas mehr Luft. So ist die nächste Sonderausstellung „Geflüchtet, vertrieben, entwurzelt: Kindheiten in Mecklenburg von 1945 bis 1952″ von der Stiftung Mecklenburg aufzubauen. Die Ausstellung haben wir mit regionalen Lebensgeschichten erweitert. Wir können mit neuen Angeboten in die Lockerung der Quarantänemaßnahmen starten und wünschen uns bald wieder Besucher im Museum. Davor müssen wir jedoch hygienische Forderungen erfüllen, damit der Museumsbesuch im GRENZHUS zu einem sicheren Erlebnis wird.

Sonderausstellung

„Geflüchtet, vertrieben, entwurzelt: Kindheiten in Mecklenburg 1945 bis 1952“

Zum Ende des Zweiten Weltkrieges wurden ca. 14 Millionen Deutsche aus ihrer Heimat in Südost- und Osteuropa vertrieben. Etwa eine Million davon verschlug es in das heutige Bundesland Mecklenburg-Vorpommern. Die Wanderausstellung „Geflüchtet, vertrieben, entwurzelt: Kindheiten in Mecklenburg 1945 bis 1952“ der Stiftung Mecklenburg und der Landeszentrale für Politische Bildung M-V stützt sich auf Berichte von Zeitzeugen, die der Zweite Weltkrieg bereits im Kindesalter zu Flüchtlingen machte. Wie erlebten sie ihre Ankunft und Aufnahme? Wie gestaltet sich eine Kindheit in fremder Umgebung? Auf der Basis von Gesprächen und Berichten, neuerer Literatur und Quellen gibt die Ausstellung Einblicke in Kindheiten, die von Hunger und Verlust, Mangel und schwerer Arbeit geprägt waren. Gerade in Mecklenburg und Vorpommern, wo das Schicksal der Vertreibung fast jeden zweiten Einwohner betraf, ist die Erinnerung trotz jahrzehntelangen Schweigens unter sozialistischen Verhältnissen noch heute sehr präsent. Kinder auf der Flucht – das ist immer noch ein hochaktuelles Thema. Die Folgen, das zeigen die Erfahrungen Befragter, wirken lebenslang.

 Das GRENZHUS hat vier Vertriebene aus der Region gefunden und befragt. Da ist Leo Grunenberg, der aus Ostpreußen über das zugefrorenen Frische Haff flieht und schlussendlich in Schlagsdorf landet. Helene Höfler findet nach ihrer Flucht aus Ostpreußen über Sztum und Gadebusch in Bäk eine neue Heimat. Elisabeth Hille berichtet von ihrer Vertreibung aus Böhmen und ihrer Ankunft im Aufnahme- und Quarantänelager Nesow bei Rehna. Auch Margit Heick kommt aus dem Sudetenland. Heute lebt sie in Stove. Ihre Erinnerungen werden in der Ausstellung vorgestellt. Gedenkstein für das Durchgangslager Nesow. Der Ort an dem Elisabeth Hille und Margit Heick als Vertriebene unterkamen.

Vom Traditionskabinett zum GRENZHUS – eine Institutionengeschichte

Die ersten Schritte auf dem Weg zur teilweise noch heute bestehenden Sammlung im GRENZHUS begannen im Jahr 1978 mit dem Aufbau eines Traditionskabinettes über die Geschichte der Landwirtschaft in der DDR in Schlagsdorf.

Das Traditionskabinett

Die Entstehung des Traditionskabinetts ist eng mit den politischen Verhältnissen in der DDR verknüpft. Auf Beschluss der Kreisleitung der SED erhielt die SED-Grundorganisation der LPG (T) „Friedenswacht“ Schlagsdorf den Auftrag, in ihrem Territorium die landwirtschaftliche Entwicklung seit 1945 zu erforschen und sichtbar zu gestalten. Des Weiteren übernahm die Polytechnische Oberschule (POS) „Hans Beimler“ Schlagsdorf den Auftrag zur Erforschung der lokalen Geschichte. Schließlich wurden beide Aufträge koordiniert und es bildete sich ein Gestaltungskollektiv, dem Werner Stuth, Siegfried Mader, Heinrich Irrek und Günther Deter angehörten. Zusammen mit Schülern erarbeiteten sie zunächst Fragebögen zur Dorfgeschichte und legten sie den Einwohnern vor. In dieser Phase wurden die ersten Materialien für das spätere Traditionskabinett zusammengetragen. Dazu gehörten vor allem Gerätschaften aus der Landwirtschaft und dem Haushalt, wovon bis heute Einiges erhalten blieb. Die Räumlichkeiten zur Einrichtung einer Ausstellung stellte der Rat der Gemeinde Schlagsdorf im LPG-Gebäude bereit. Die Räume mussten jedoch erst einmal grundsaniert werden. Im Herbst 1981 konnten die Reparaturen und die Renovierung der Räume schließlich beginnen, da die beiden in Schlagsdorf arbeitenden LPGen die anfallenden Kosten übernahmen. Flur der Ausstellung im Traditionskabinett, aufgenommen am 13.11.1998 von A. Zeiß Blick in die Ausstellung im Traditionskabinett, aufgenommen am 13.11.1998 von A. Zeiß Besuch der Frauen des Demokratischen Frauenverbandes Senegal am 21.08.1986 Nach vier Jahren intensiver Arbeit wurde das Traditionskabinett am 1. Oktober 1982 an die Kreisparteiorganisation der SED übergeben. Glückwünsche gab es hierbei vom Sekretär der Bezirksleitung Schwerin der SED: „Das Traditionskabinett allen Bürgern und besonders unseren jungen Menschen zugänglich zu machen, mit dem Stolz auf das Erreichte die Bereitschaft zu noch höheren Leistungen, zur unbeugsamen Treue zum Arbeiter-und-Bauern-Staat und zur Vertiefung unseres Bruderbundes mit der Partei und dem Lande Lenins sowie den anderen Staaten der sozialistischen Gemeinschaft weiter auszuprägen, ist eine wichtige Aufgabe unserer Grundorganisation. Dabei wünsche ich viel Erfolg!“. Traditionskabinette spielten für die SED- Geschichtspolitik in den Betrieben eine wichtige Rolle. Auch in Schlagsdorf sollten die Traditionen der kommunistischen Bewegung und die erfolgreiche Entwicklung unter den Bedingungen des DDR-Sozialismus dargestellt werden. 1983 wurde das Kabinett um einen Schulungsraum und einen Geschichtsraum erweitert. Der Geschichtsraum nahm alle weiteren Organisationen, Einrichtungen und Betriebe des Territoriums in ihrer Entwicklung auf. Und der Schulungsraum stand von nun für die politisch-geschichtliche Weiterbildung zur Verfügung. Im Laufe der Jahre besuchten zahlreiche Menschen das Kabinett in Schlagsdorf, darunter auch Gäste aus dem Ausland, zum Beispiel aus der Sowjetunion, Polen, Kuba oder dem Senegal. Von 1982 bis 1991 leitete der Rentner Werner Stuth das Traditionskabinett. In dieser Zeit wurden zahlreiche Urkunden, Fotos und Objekte, welche die Geschichte der Landwirtschaft prägten, gesammelt. Des Weiteren fanden mehr und mehr Informationen zur DDR-Dorfgeschichte von Schlagsdorf, wie zum Beispiel Fotos und Dokumente der Feuerwehr in Schlagsdorf oder Informationen und Anschauungsmaterial zur Geschichte des Sportes in Schlagsdorf und Umgebung ihren Platz im Traditionskabinett. Die zahlreichen Briefe von damals, in denen Werner Stuth nach Bildern und Informationen für das Traditionskabinett suchte, legen Zeugnis von seinem Engagement und der Energie ab, die er bis zum Schluss in die Ausstellung steckte.

Beeindruckend außerdem aus heutiger Sicht, mit welcher Hartnäckigkeit er sich um die Beschaffung einer Fotoausrüstung oder die Ausstattung des Kabinetts mit Vitrinen, Tafeln und anderem Inventar kümmerte. Werner Stuth im ehemaligen Traditionskabinett, nach dem Mauerfall 1989, Foto von Helmuth Vogt Im Jahr 1989, dem Jahr des Mauerfalls und der Friedlichen Revolution verändert sich fast alles. Schlagsdorf ist von nun an kein Dorf im Sperrgebiet mehr, die Grenzanlagen werden im Laufe der Zeit entfernt. Man könnte vermuten, dass mit dem Zerfall der DDR und dem Ende der SED-Regierung auch das Traditionskabinett, das eng mit den DDR-Verhältnissen verbunden war, nun ebenso sein Ende finden muss. Doch die Engagierten um Werner Stuth setzen ihre Arbeit fort und erweitern die Ausstellung. So sind auf den Fotos nach 1989 in der Ausstellung bereits Objekte zur DDR-Grenzsicherung und den feierlichen Grenzöffnungen in der Region zu sehen. Größer als die ideologischen Aufgaben war der Wunsch, die lokale Geschichte zu dokumentieren. So ist Werner Stuths Ziel nach 1989: „das Leben der Menschen seines Heimatgebietes sichtbar und verstehbar zu machen, mit all ihrem Wirken und ihren Irrtümern. Gerade diese Irrtümer aufzuarbeiten – und sich nicht sang- und klanglos aus der Geschichte davonzustehlen“. In einem Zeitungsartikel nach der Wende bilanzierte Werner Stuth: „Die DDR ist weiß nicht wieder geschehen. Die gehören doch dazu.“ Gott nicht am mangelnden Fleiß ihrer Menschen zugrunde gegangen. Falsche, ja stümperhafte Anwendung der Ökonomie, immer stärkere Entfremdung vom Eigentum und – wie sich erst jüngst herausstellte – korrupte Politiker haben die Schuld daran, daß der Fleiß der Menschen irgendwo versandete.“ In einer Umfrage der Gadebusch-Rehnaer Zeitung vom 7.10.1991 mit dem Titel „Gehört die DDR ins Traditionskabinett?“ äußert sich Werner Stuth folgendermaßen: „Was wir 1945 versäumt haben, die zwölf Jahre Faschismus aufzuarbeiten, darf uns mit fünf Jahren sowjetischer Besatzung und 40 Jahren DDR Bild aus dem Artikel von Werner Mett, Zeitung Gadebusch, Anfang 1992 „Dorfmuseum wird erhalten bleiben“

Das Dorfmuseum Schlagsdorf

Das Ende des alten Traditionskabinetts war nicht nur mit dem Ende der DDR und den betrieblichen Veränderungen in der Landwirtschaft verbunden, sondern auch mit dem Tod seines langjährigen Leiters und Mitbegründers Werner Stuth. Die zurückgebliebene umfangreiche Sammlung zur Geschichte von Schlagsdorf und Umgebung sollte nicht verloren gehen, deshalb fasste die Gemeindevertretung den Beschluss, die Sammlung und die Ausstellung zu erhalten. Zunächst wurde, wie man aus einem Zeitungsartikel von Werner Mett Anfang 1992 erfährt, Gerhard Lerbs beauftragt, alle Einzelstücke der Sammlung des Traditionskabinettes zu inventarisieren. Hierbei erhielt er Hilfestellung vom Rehnaer Amtsarchiv. Gerhard Lerbs war zu DDR-Zeiten lange Jahre Bürgermeister von Schlagsdorf und hatte ein halbes Jahr zuvor bei der Auflösung der Wohnungsgesellschaft Carlow seine Arbeitsstelle verloren. „Nicht alle der hier zusammengetragenen Schriftstücke und Dokumente passen unbedingt zum Charakter eines Dorfmuseums, erhaltenswert sind sie aber allemal“, stellte Lerbs fest. Ein Teil der Sammlung landete nach der Sichtung im Rehnaer Amtsarchiv, die Exponate zur Geschichte von Schlagsdorf sowie der aktuellen Geschehnisse sollten jedoch in das neue Dorfmuseum integriert werden. „So soll der Charakter dieser wohl einzigartigen Sammlung erhalten bleiben“, äußerte Lerbs. Ebenso konnten die privaten Ausstellungsstücke der Familie Stuth im Museum verbleiben, versicherte die Witwe Elisabeth Stuth. Zuzüglich der Entscheidung der Gemeindevertretung, das Dorfmuseum zu erhalten, wurde ebenfalls beschlossen, den Veteranenclub im gleichen Gebäude „den älteren Mitbürgern wieder zugänglich zu machen.“ Dafür musste die Gemeinde allerdings einige Gebäudemängel beseitigen lassen. Unglücklicherweise gingen im Laufe der Jahre Teile der Sammlung verloren. Sei es durch einen Brand, vermutlich vor 1989, oder durch die Lagerung der Sammlungsstücke an unterschiedlichen Orten. Von 1992 bis ca. 1997 ist der Standort des Dorfmuseums also noch das Gebäude des ehemaligen Traditionskabinettes. In einem Gespräch der Zeitung Mecklenburg EXTRA mit Siegfried Mader – dem Mitgestalter des Dorfmuseums vom 16. Mai 1996 lassen sich weitere Informationen zur Entwicklung des Dorfmuseums nach der Wende ablesen. Mit dem Wandlungsprozess vom Traditionskabinett zum Dorfmuseum retteten Siegfried Mader und seine Mitstreiter geistesgegenwärtig Materialien der ehemaligen Grenztruppen, wie zum Beispiel Uniformen und Grenzsteine. Außerdem plante man den Wiederaufbau eines Postenturmes aus Lassahn als Bestandteil des Museums. Zum Zeitpunkt des Artikels ist das Dorfmuseum nicht geöffnet, die Baracke ist zu klein und die große Anzahl der Dokumente unüberschaubar. Deshalb soll das Museum ins Gutshaus verlegen werden. Auch eine Gaststätte und das Thema Naturschutz gehörten zu den Plänen.

Das GRENZHUS

Das ehemalige Wohnhaus des Domänenpächters, das heute das GRENZHUS beherbergt, war nach dem Ende der DDR mit Wohnungen und dem Kindergarten der Gemeinde belegt. Erst als das Haus leergezogen war, konnte auf Initiative von Privatpersonen sowie der Gemeinde, dem Amt Rehna und dem Landkreis Nordwestmecklenburg 1997 der Umbau des Hauses zu einem Museum „GRENZHUS“ beginnen. Am 9.November 1999 wird das GRENZHUS eröffnet und die Reste des Dorfmuseums fanden Eingang in seine Sammlung. Beim Aufbau der ersten Ausstellungen zur Dorfgeschichte und Grenzgeschichte im GRENZHUS waren Ellen Müller, Inge-Dore Preuß und Birgit Konitzer die tragenden Kräfte. Eine Ausstellung über das Biosphärenreservat Schaalsee trat mit Unterstützung des Fördervereins Biosphäre Schaalsee hinzu. Für den Aufbau des Museums und die Arbeit in den nächsten beiden Jahrzehnten spielte die Unterstützung durch das Arbeitsamt eine große Rolle. So konnten Mitarbeiter über Fördermaßnahmen beschäftigt werden. Im März 2001 wird die Außenanlage des Museums eingeweiht. Am 9. November des gleichen Jahres der Beobachtungsturm, der das Außengelände um ein weiteres Element der ehemaligen Grenzanlagen ergänzt. Die Rekonstruktion des ehemaligen Grenzabschnitts entstand mit großer Unterstützung des BGS-Standortes Ratzeburg. Logo vom GRENZHUS um 2003. In den folgenden Jahren erschwerten mehrere Trägerwechsel die Arbeit im GRENZHUS und verweisen auf die Schwierigkeiten bei der finanziellen Absicherung des Museumsbetriebes. Von 2001 bis Ende 2002 verantwortet der Bildungsträger und Jugendreiseveranstalter Alte Schule e.V. den Museumsbetrieb. Am 1. Januar 2003 übernahm der neu gegründete Trägerverein GRENZHUS e.V. den Museumsbetrieb. Einzelne Verbesserungen in der Ausstellung zur Grenzgeschichte wurden umgesetzt. 2005 zog der Verein GRENZHUS e. V. erstmals seit Bestehen eine positive finanzielle Bilanz, was zeigt, wie schwierig sich die finanzielle Situation in den Anfangsjahren des Museums gestaltete. GRENZHUS e. V. sicherte den Betrieb des Hauses über viele Jahre trotz widriger Umstände. In Zusammenarbeit mit dem Förderverein Biosphäre Schaalsee und dem Biosphärenreservatsamt entstanden neue Konzepte für eine Weiterentwicklung des Hauses. Doch nur ein neuer Träger konnte die längerfristige Existenz des Hauses sichern. In Übereinstimmung mit allen Beteiligten übernahm der Schweriner Bildungsträger Politische Memoriale e. V. diese Aufgabe. Als erster Schritt der inhaltlichen Neugestaltung bereicherte seit November 2012 der Grenzparcours „Grenzwege Schlagsdorf“ das museale Angebot. Im August 2018 konnte dann die neue Ausstellung eröffnet werden. Blick auf den Zeitstrahl der heutigen modernisierten Dauerausstellung Abschließend lässt sich sagen, dass der Weg bis zur heutigen Ausstellung von vielen unterschiedlichen Abschnitten und Menschen geprägt worden ist.  

Den Anfang machte Werner Stuth, den ich durch die bis heute archivierten Briefe und Dokumente kennengelernt habe. Seine Person hat mir nochmal bewusst gemacht, dass die Welt wie so oft nicht nur schwarz oder weiß ist. Nach meiner Auffassung war Werner Stuth wirklich stolz auf das Erreichte in Schlagsdorf und der DDR-Landwirtschaft, gerade im Vergleich mit den Ausgangsbedingungen 1945. Als Leiter eines Traditionskabinettes in der DDR musste er das natürlich auch sein. Werner Stuth hatte keine Scheu, sich auch kritisch zu äußern, in einer Art und Weise, die zu funktionieren schien. Auch im hohen Alter arbeitete er intensiv an der Ausstellung und gab zahlreiche Führungen. Beiträge aus den Gästebüchern belegen die Zufriedenheit mit der Arbeit von Werner Stuth und dem Traditionskabinett auch nach 1989, als aus dem in zahlreichen Briefen verwendeten „sozialistischen Gruß“ schließlich der „freundliche Gruß“ geworden war. Maria Rabes

BFD im GRENZHUS

Seit dem letzten Newsletter sind bereits fünf Monate vergangen. Dass das GRENZHUS nun erstmal geschlossen ist, hätte zu diesem Zeitpunkt wohl noch niemand für möglich gehalten. Die Folgen der Corona-Pandemie verändern natürlich auch meinen Freiwilligendienst im GRENZHUS. Anfang des Jahres nahm das gewohnte Museumsleben wieder seinen Lauf. Es kamen Besucher, die ersten Führungen, Studientage und Veranstaltungen fanden statt. Für eine neue Sonderausstellung führten wir Zeitzeugengespräche, die in der Ausstellung „Geflüchtet, vertrieben, entwurzelt: Kindheiten in Mecklenburg 1945 bis 1952“ präsentiert werden. Ich habe keine Verwandten, die eine solche Vergangenheit haben und kenne Geschichten aus der Zeit dementsprechend nur aus den Medien beziehungsweise dem Lehrbuch. Es war interessant, aber auch bewegend mit einer Zeitzeugin über ihre Geschichte zu sprechen. Im Februar hatte ich dann wieder eine Seminarwoche mit den anderen Freiwilligen vom Internationalen Bund (IB). Im Unterschied zu den anderen Seminaren trafen wir mit vielen anderen Freiwilligen im Bildungszentrum Barth zusammen. Im Rahmen der politischen Bildung beschäftigte ich mich dort mit Armut und Reichtum auf der Welt. Durch die Museumsschließung fielen Führungen und Studientage mit den Schulklassen weg und das Alltagsgeschäft mit den Besuchern ebenso. Ich hoffe es nicht, aber vielleicht habe ich meine letzte Führung im Freiwilligendienst schon gemacht. Die ersten Tage während der Schließung haben wir dann zunächst die Möglichkeit genutzt, die Ausstellung zu reinigen und Gegenstände aus der Scheune zu archivieren beziehungsweise zu sortieren. Außerdem nahmen wir an einem Workshop teil, der nicht in Hamburg, sondern per Videokonferenz durchgeführt wurde. Ich arbeite im Wechsel im Homeoffice und im GRENZHUS und schrieb mehrere Beiträge für den aktuellen Newsletter. Dadurch, dass unsere Seminarwoche im April ausgefallen ist, versucht nun auch der Träger meines Freiwilligendienstes, der IB, dass was wir dort gemacht hätten per Mail und Videokonferenz nachzuholen. Außerdem haben alle unser IB T-Shirt für das Jahr und sonstige Infos per Post bekommen. Es bemühen sich alle sehr, das Beste aus der Situation zu machen und es ist schön, dass wir uns als Seminargruppe auf diesem Weg trotzdem wiedersehen können. Das Zeitzeugenprojekt über meine Familie und die DDR führe ich weiterhin fort. Unabhängig davon, ob das Abschlussseminar im Juni stattfindet oder nicht. Abschließend möchte ich sagen, dass mir bewusst ist, dass ich in dieser für die ganze Welt schwierigen und außergewöhnlichen Situation privilegiert bin. Noch bei meinen Eltern wohnend, ohne Existenzängste, jung, in einem reichen Land. Umso mehr hoffe ich, dass besonders die Menschen geschützt werden, die Schutz brauchen, und dass wir diese Situation letztendlich gemeinsam überstehen … und dann auch das GRENZHUS wieder besucht werden kann. Somit auch von mir: Bleiben Sie gesund!

Maria Rabes